OSTVIERTEL.MS

Von Utopien und Kompromissen

Kreative Diskussionen über Bebauungspläne, die langwierige Suche nach Kompromissen und Applaus für erfolgreiche Klagen: Die Veranstaltung „Die Zukunft für den Hafen?“ sorgte für viel Gesprächsstoff im Bennohaus.

Rund 80 Bürger*innen fanden gestern Abend trotz schweißtreibender Temperaturen auf Einladung der beiden Bürgerinitiativen „Initiative ZukunftHafen“ und „Mehr Lebensqualität für das Hansa- und Hafenviertel“ ihren Weg ins Bennohaus.

Zum Auftakt der knapp zweistündigen Veranstaltung stellte Rainer Bode (Initiative ZukunftHafen) den bisherigen Verlauf des Klagewegs rund um den umstrittenen Bau des Hafencenters vor. Nachdem im April 2018 das Oberverwaltungsgericht Münster den Bebauungsplan nach erfolgreicher Klage aus der Bürgerschaft aufgehoben hatte, ging es für die Klageseite im nächsten Schritt um die Verhängung eines Baustopps. Mit ihrem Eilantrag scheiterte sie jedoch zunächst vor dem Verwaltungsgericht. Das OVG gab ihr im Februar 2019 schließlich Recht und verhängte den Baustopp.

Rund 80 Bürger*innen diskutierten im Bennohaus über die Zukunft des Hansa- und Hafenviertels

„Wir führen wie im Fußball mit 4:0“, antwortete Bode auf Nachfrage aus dem Publikum, ob denn nun eine realistische Chance auf eine Neugestaltung der Hafencenterfläche bestehe. „Manchmal reicht das nicht, aber wir sind jetzt in der 70. Minute“. Allerdings warnte er davor, dass das Unternehmen Stroetmann, das schon 2001 mit den Planungen fürs Hafencenter begonnen hatte, die Sache auch aussitzen und das Gelände brachliegen lassen könnte. Für ihn selbst sei jedenfalls klar, dass die in der Zwischenzeit bereits errichteten Bauten auf dem Grundstück nicht abgerissen, sondern anderweitig genutzt werden sollten.

„Wir führen wie im Fußball mit 4:0“
– Rainer Bode, Initiatve ZukunftHafen

Im Anschluss präsentierte die Studentin Luisa Matz Alternativvorschläge auf Grundlage der bislang erfolgten Baufortschritte, die sie im Rahmen eines Hochschulprojekts erarbeitet hatte. Neben der Einrichtung von sogenannten Möglichkeitsräumen wie einem Lotsenhaus für Quartiersexpert*innen, Coworking Spaces oder Studios traf vor allem die Weiterverwendung der bereits errichteten Tiefgarage als Quartiersgarage auf breite Zustimmung. Aber, wie Matz betonte, sei ihr Vorschlag nur „eine Utopie, ohne dabei politische oder juristische Fragen“ zu berücksichtigen.

Luisa Matz stellte ihr Alternativkonzept für die Hafencenterfläche vor.

Mit der Frage nach einer möglichen Umsetzungsstrategie beschäftigte sie sich trotzdem und erklärte, dass Widerstand aus der Bürgerschaft zu stärkerer Vernetzung führte, der wiederum Druck auf die politischen Entscheidungsträger*innen ausüben könnte. Sie empfahl die Gründung eines Vereins, der auf Grundlage des Quartier-Gemeinwohl-Index die Interessen der Anwohner*innen gleichermaßen vertreten und perspektivisch zur Bewirtschaftung der Fläche eingesetzt werden könnte.


Bürgerumfrage

Unser Praktikant Lennart hat in seiner Audioumfrage weitere Stimmen auf dem Hansaring eingefangen.

 


Dass Bedarf für eine solche Interessenzusammenführung gegeben sein dürfte, zeigten die Fragen und Anregungen der anwesenden Bürger*innen. Neben zahlreichen Nutzungsvorschlägen, darunter die Einrichtung eines Marktplatzes mit wechselnden Wochenmärkten oder die Forderung nach mehr Wohnraum, wurde vor allem die Verkehrsplanung kritisch diskutiert. So klagte etwa ein Pendler über die Parkplatzproblematik, während viele der Anwesenden auf eine Zurückdrängung des Autoverkehrs pochten. Schwere Vorwürfe wurden auch gegen die Stadt Münster erhoben, die bereits in den 70er Jahren schwerwiegende Fehler bei der Weichenstellung für das Ostviertel begangen haben soll, die sich bis heute auswirkten.

An Wortmeldungen aus dem Publikum mangelte es nicht

Kurz vor Ende der Veranstaltung hatte die Politik Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Der Einladung der beiden Initiativen waren die drei Ratsherren Otto Reiners (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Michael Jung (SPD) und Heiko Wischnewski (Die Linke) gefolgt.

Dr. Jung betonte, dass der alte Bebauungsplan, der ein Mischgebiet für das Grundstück vorsieht, weiterhin existiere und politisch nicht auf Null stehe. „Die Politik muss in der Realität bleiben. Es gibt einen Bebauungsplan und keine Verkaufsbereitschaft“. In Anlehnung an Bodes Fußballvergleich merkte er an: „Es steht 1:1“.

Auch Otto Reiners sieht vor allem das bestehende Eigentumsverhältnis als größtes Problem. Es bedürfe der Bereitschaft von Stroetmann, daran überhaupt etwas zu ändern. Die Idee aus dem Publikum, das Grundstück zurückzukaufen oder ein Tauschgeschäft mit einem anderen Grundstück anzubieten, sei schwierig umzusetzen. Der Wert des Grundstücks sei auf 30-35 Millionen Euro beziffert und ein Tauschangebot von Stroetmann abgelehnt worden.

Waren der Einladung gefolgt: Ratsherren Heiko Wischnewski (Die Linke), Dr. Michael Jung (SPD) und Otto Reiners (Bündnis 90/Die Grünen) (v.l.n.r.)

„Wir müssen erst die Verkehrsproblematik lösen, damit man nicht beklagbar ist“, forderte Heiko Wischnewski für den Fall einer Neugestaltung des Geländes. Er schlug die Einrichtung zweier Busspuren, neuer Wege für Fahrräder und Fußgänger und eine deutliche Rückführung des Autoverkehrs vor. Darüber hinaus kritisierte er vor allem die Stadt, die die Anwohner*innen mit ihrer damaligen Entscheidung „den Investoren zum Fraß vorgeworfen“ habe.

Alle drei waren sich indes einig, dass die Interessen der Anwohner*innen wichtig seien. Aber: “Es wird auf einen Kompromiss hinauslaufen”, so Dr. Jung.

Rainer Bode betonte zum Ende der Veranstaltung, dass das ganze Viertel eingebunden werden müsse. “Von Herz-Jesu bis zu den Osmo-Hallen müssen wir alle reinholen”. Nur so sei etwas zu bewegen.

„Es wird auf einen Kompromiss hinauslaufen“
– Ratsherr Dr. Michael Jung

Für die Gegner*innen des Hafencenters steht der nächste wichtige Termin am 6. September an, wenn das Verwaltungsgericht über eine mögliche Aufhebung der Baugenehmigung entscheidet.

Das Modell des Hafencenter-Grundstücks steckte am Ende der Veranstaltung voller Ideen

Jan Leye

Ehemaliger Chefredakteur.

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