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Fall E-Center: Eine unendliche Geschichte?

Seit Jahren bewegt der Bau des E-Centers das Hansa- und Hafenviertel in Münster. Gestern Abend lud die SPD-Ratsfraktion die Anwohner*innen zum Bürger*innendialog ins Bennohaus ein, um ihren neuen Kompromissvorschlag zu diskutieren.

Ein Markthallenkonzept soll die vertrackte Situation endlich lösen – zumindest auf Wunsch des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Michael Jung, der den Vorschlag bereits in der vergangenen Woche im Rahmen eines Pressegesprächs mit seinem Kollegen Robert von Olberg erstmalig vorgestellt hatte.

Zum Auftakt stellt Dr. Jung die bisherigen Ereignisse vor

„Es soll ein Marktflair entstehen“, so Jung gegenüber den rund 100 Bürger*innen, die sich am Bürger*innendialog im Bennohaus beteiligten. „Überdacht, an sechs Tagen in der Woche“. Als Beispiel führte er die Arminiushalle in Berlin-Moabit an.

Statt des klassischen Vollsortimenters könnten einzelne Stände und gastronomische Angebote einer typischen Hafenatmosphäre näherkommen und am Versorgungsbedarfs des Viertels orientiert sein. Großer Vorteil laut Jung: Eine solche Markthalle könnte innerhalb des schon bestehenden Rohbaus errichtet werden.

Dr. Jung im Bürger*innendialog

Die Besucher*innen reagierten verhalten auf Jungs Ausführungen. Deutlich wurde vor allem, dass nicht nur die Bebauung selbst, sondern vor allem ihre möglichen Folgen im Verbund mit anderen Bauvorhaben für das Viertel weiterhin für Unmut sorgen.

„[…] dann lassen wir es eben an die Wand fahren.“
Wortmeldung beim Bürger*innendialog

„Der Druck vom Hafencenter, dem Hansator und der Hafenbebauung ist so groß, da kann sich das Viertel nicht mehr halten“, sagte eine Besucherin. Die Bauruine könnte da noch die einzige Chance sein, um es für Investitionen in teuren Wohnraum unattraktiver zu machen.

Über 100 Bürger*innen fanden am Abend den Weg ins Bennohaus

Dr. Jung verwies auf die Gefahr, die eine Verzögerung des Baus und eine jahrelange Bauruine nach sich ziehen könnten. Neben möglichen Schadensersatzansprüchen könne niemand garantieren, dass die Firma Stroetmann auch am Ende einer jahrelangen Blockade tatsächlich das tun würde, was sich die Anwesenden wünschten. Auch ein möglicher Rückkauf des Geländes durch die Stadt Münster sei nach derzeitigem Stand nicht möglich.

„Beide Seiten können der anderen Seite ihren Willen nicht vollständig aufzwingen.“
– Dr. Michael Jung, SPD-Fraktionsvorsitzender

„Die Firma Stroetmann hat mehrfach dezidiert erklärt, das Grundstück nicht verkaufen zu wollen.“ Zumal ein möglicher Kauf durch die Stadt laut Jung schon an der kommunalaufsichtlichen Genehmigung scheitern könnte.

Auch vertreten: Rainer Bode von der “Initiative ZukunftHafen”

Dass die Frage um die Zukunft des Hafencenters für viele Bürger*innen trotz Jungs Einwände längst zu einer Frage des Prinzips geworden ist, zeigten nicht zuletzt die deutlichen Kampfansagen aus dem Plenum: „Wenn man immer meint, die Bürger*innen zu ignorieren und einen neuen Kompromiss im Sinne des Investors zu finden, dann lassen wir es eben an die Wand fahren.“

Ein Besucher bescheinigte der Stadt gar „eine unfassbare Arroganz“. Keine einzige von über 500 Einwendungen aus der Bürgerschaft sei bei den damaligen Planungen berücksichtigt worden. Zwar seien auch die Bürger*innen an Lösungen interessiert, aber „nicht diese“.

Während Jung der eigenen Partei zwar auch deutliche Fehler in Sachen E-Center bescheinigte, kritisierte er vor allem das Verhalten der Grünen in den letzten Wochen. Nachdem die grüne Ratsfraktion im Sommer 2019 zunächst geplante interfraktionelle Gespräche mit der SPD abgesagt hatte, stimmte die eigene Grünen-Basis gegen den zwischen CDU- und Grünen-Ratsfraktion ausgehandelten Vorschlag. Für die Ratssitzung am 11.12. bestehe laut Jung im Moment daher keine erkennbare Mehrheit.

Dr. Jung im Bürger*innendialog

In seinem Fazit versuchte Jung am Ende des rund zweistündigen Abends deutlich zu machen, dass ein jahrelanger Baustopp samt Bauruine nicht Ziel der Ratspolitik sein könne. „Ich glaube, es geht am Ende um Lösungen und Kompromissmöglichkeiten.“

Richtig sei aber auch, „dass für alle, die dort keinen Einzelhandel akzeptieren, auch die Markthalle der falsche Vorschlag ist“. Politik und Stroetmann stünden in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander: „Beide Seiten können der anderen Seite ihren Willen nicht vollständig aufzwingen.“


Kurzkommentar

Ob Bauruine, Markthalle oder E-Center; ob Pocket-Park, Wohnraum oder Quartiersgarage; ob Nahversorgungsgrad, bauphysikalische Voraussetzungen oder Parksuchverkehrsreduktion: auf dem Bürger*innendialog werden noch immer die gleichen Themen, Ängste und Vorwürfe diskutiert, die schon vor Jahren auf der Tagesordnung standen. Er machte dadurch nochmals deutlich, wie unbegreiflich es eigentlich ist, eine Stadt bei einem derart richtungsweisenden Entwicklungsvorhaben gegen den Willen eines engagierten Viertels handeln zu sehen.

 


Dr. Jung bestätigte indes im Dialog, dass seine Fraktion der Planung, die auf dem schwarz-grünen Verhandlungsergebnis beruht, in der Ratssitzung am 11.12. nicht zustimmen wird.

Eine unendliche Geschichte.

Die SPD-Ratsfraktion lud ein zu der Frage “Wie geht’s weiter am Hafen?”

Jan Leye

Ehemaliger Chefredakteur.

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