Wenn man seine Fotos und Metallskulpturen sieht, würde man wohl nie erwarten, dass er sich seinen Lebensunterhalt als KFZ-Mechaniker verdient, doch Mahmoud Khorosh repariert hauptberuflich Autos und setzt sich gleichzeitig mit seiner Kunst für die Menschen in Afghanistan ein.
Mit 18 Jahren verließ der gebürtige Afghane nach dem bestandenen Abitur seine Heimat, ein kleines Dorf sechs Kilometer vor Kabul namens Shina, und kam nach einiger Zeit in Frankreich und Australien, in Deutschland an. Nach einem angefangenen Maschinenbaustudium fing er an, in einer Autowerkstatt zu arbeiten, um Geld für seine Familie in der Heimat zu verdienen.
Er erzählt uns, dass er nach seiner Flucht nach Deutschland keine großen Probleme bei der Integration hatte:
“Dein Geburtsort ist ein reiner Zufall. Das kann man nicht bestimmen und da kann man auch nicht stolz drauf sein. Mit Menschen, die das nicht verstehen, habe ich Mitleid. Und darum fühle ich mich nirgendwo als Ausländer.(…) Die Grenze ist eine gedachte Linie. Wir haben sie gezogen und das muss jeder Mensch wissen. Die studierten Menschen wissen, dass wir aus Afrika kommen und Jesus ein Ausländer war (lacht).”
“Wegen dem Krieg in Afghanistan, habe ich versucht schnell Geld zu verdienen, um meiner Familie zu helfen. Das Land explodierte. Darum habe ich diesen Beruf ausgesucht. Ich bin eigentlich als Künstler und Fotograf nach Deutschland gekommen, aber damit kann man hier nicht so viel machen.”, erzählt uns Mahmoud bei einem Tee in seiner Werkstatt, die beim Betreten fast schon wie ein Atelier wirkt.
Überall stehen sowohl angefangene als auch fertiggestellte Kunstwerke, direkt unter einem Auto auf der Hebebühne. Auch in dem Pavillon des Autohauses stehen neben schönen Oldtimern von BMW und Porsche auch surreale Metallarbeiten in Formen von Fischen oder Libellen, sodass man gar nicht weiß, worauf der Blick zuerst fällt. Dabei ist der Unterschied dieser Ausstellungsstücke gar nicht so groß, wie man zunächst vermutet, denn Mahmoud arbeitet für seine Skulpturen hauptsächlich mit ausrangierten Autoteilen, sodass beispielsweise der Tank einer alten Harley Davidson als Hauptbestandteil einer Kranich-Skulptur fungiert. Auch seine Fotografien stellt Mahmoud in Ausstellungen und in selbst gedruckten Kalendern und Büchern aus. Dabei liegt sein Hauptfokus auf den Menschen und den Landschaften seines Heimatdorfes, und das aus einem guten Grund:
“Ich nutze meine Kunst und meine Fotos als Mittel um zu zeigen, dass Afghanistan ein sehr schönes Land ist.”
Doch die Kunst ist für Mahmoud keineswegs nur ein Hobby oder eine nachhaltige Methode der Metallschrott-Verwertung. Er sieht seine Kunst als Mittel, um die Menschen auch hier in Deutschland auf die schrecklichen Umstände in Afghanistan aufmerksam zu machen.
“Die Afghanen sind soweit gekommen, dass sie sich gegenseitig töten, ohne zu wissen warum sie das tun. Und die NATO ist jetzt seit 21 Jahren da und nichts passiert.”, sagt Mahmoud. Um selbst etwas zu unternehmen, gründete Mahmoud 2002 zusammen mit einigen Freunden den Verein „Gemeinnützige Hilfe Afghanistan e.V. – Wiederaufbauhilfe“, der sich zur Aufgabe gemacht hat durch lokale und vor allem persönliche Unterstützung, den Menschen in Shina Hilfe zu bieten und der neben Spenden durch die Einnahmen von Mahmouds Kunst finanziert wird.
“Ich repariere hier Autos, damit verdiene ich mein Geld. Alles, was ich durch die Kunst einnehme geht zu 100 Prozent in meinen Verein.”, sagt er.
In dem Buch „Das starke Dorf – Chronik eines Wiederaufbaus“, erklärt der Verein: „Der Schlüssel zum Erfolg des Wiederaufbauprojekts lag nicht in der Höhe unseres Budgets, sondern in der dauerhaften Partnerschaft.“ Mit Projekten, die von Brunnen über Müllsammlungsaktionen bis hin zu Schulen und Waschhäusern gehen, sorgt Mahmoud gemeinsam mit dem Verein seit nun schon fast 19 Jahren dafür, dass sich die Umstände, zumindest in einem kleinen Teil seines Heimatlandes, spürbar verbessern.
Die größten Probleme Afghanistans, sieht Mahmoud allerdings nicht in dem Fehlen von Grünanlagen oder Schulen. Für ihn ist die Gewalt und der verlorengeglaubte Frieden der Grund, für seine Flucht aus Afghanistan und der Grund, warum er heute mit seiner Kunst und mit seinem Verein für die Verbesserung dieser Zustände kämpft. Und er ist guter Dinge:
“Ich bin sehr optimistisch, wenn ich die junge Generation sehe, wie sie Freitags auf die Straße gehen.(…) Mein Wunsch ist, dass alle Menschen zusammen arbeiten und wir Demokratie nicht nur auf dem Papier stehen haben, sondern Demokratie erleben.”
Vielen Dank an Mahmoud Khorosh für das tolle Gespräch und den Einblick in seine Arbeit!
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