OSTVIERTEL.MS
Historisches Rathaus, Giebel

Münsters Monopolzeitung macht mal wieder Politik

Ein Kommentar von Jan Große Nobis

Es war noch gar nicht klar, was alles im ausgehandelten Koalitionsvertrag der Parteien Grüne, SPD und VOLT steht, da leakt Münsters Lokalzeitung „Westfälische Nachrichten“ schon Ausschnitte aus den Verhandlungsergebnissen und nutzt damit ihre Vormachtstellung als einzige Tageszeitung in Münster (hinter dem Label Münstersche Zeitung steht schließlich auch die WN) aus, um Politik gegen eine linke, progressive Rathauskoalition zu machen. Man erinnere sich auch: Die Eigentümer*innen-Familie Hüffer ist konservativ.

Am 20. Januar titeln die WN/MZ „Grüne fordern: Alle Parkplätze weg“ (Paywall). Und zitieren einseitig aus den Verhandlungsergebnissen der Koalitionsverhandlungen. Politikredakteur Dirk Anger von der WN/MZ schreibt: „Denn die Grünen machen mit ihrer Wahlkampf-Ankündigung einer autofreien Innenstadt ernst. Bis zum Jahr 2025 sollen die innerstädtischen Parkhäuser umgewidmet werden. Und nicht nur das: In der Altstadt sollen außerdem bis auf Behindertenparkplätze alle oberirdischen öffentlichen Stellplätze verschwinden“.

Es sei ein „Feldzug“, was die Grünen da führen: Eine autofreie Innenstadt sei völlig „radikal“ und „wirtschafts- und arbeitsplatzgefährdend“! Den Autofahrer*innen würden ja keine Alternativen geboten! Und sie führen den verkehrspolitischen Sprecher der SPD, Ludger Steinmann, als Kronzeugen ins Feld, der gegenüber der WN/MZ sagt: „Wir wollen eine Erreichbarkeit der Stadt für alle“. Der SPD-Politiker meine, dass es reichen würde, Teile der Innenstadt autofrei zu gestalten. Aber für die derzeitigen Vorschläge gäbe es kein Okay der SPD. Als wenn die SPD nicht auch eine autofreie Innenstadt als Ziel habe.

Die WN/MZ legen mit weiteren Artikeln nach und lassen es damit so erscheinen, dass die Autos aus der Stadt verbannt werden sollen, ohne dass es Alternativangebote geben würde. Das Bild: Eine verwaiste Innenstadt. Die Kaufleute pleite. Die Cafés dicht. Alles plattgemacht von den bösen „Ideolog*innen“!

Die WN/MZ muss sich als Monopolzeitung also die Frage stellen, wie sie über politische Themen berichten will. Will sie weiterhin wichtige Informationen unterschlagen, bis sie die Meinung der Leser*innen in ihrem Sinne geformt hat, oder will sie fair berichten? Offen steht es den WN/MZ natürlich weiterhin, die Sachverhalte zu kommentieren. Dann kann sie in einem Kommentar ja alle guten oder auch schlechten Argumente gegen eine autofreie Innenstadt bringen. Aber erst informieren!

Autofreie Innenstadt funktioniert und bringt sogar Kunden

Der neue Münsteraner Online-Nachrichtendienst rums.ms (ausnahmsweise ohne Paywall) jedenfalls hat recherchiert, ob und wie das Konzept der autofreien Innenstadt anderswo funktioniert: „Das Ergebnis: ja und gut, zum Beispiel in Pontevedra, Madrid und Houten“. Es werden Beispiele genannt, wo die autofreien Stadtbezirke sogar ein Umsatzplus für den Einzelhandel bedeutet haben. Man müsse nur gute Konzepte vorlegen. Das heißt: Alternativen zum Auto müssen konsequent ausgebaut werden.

Die WN/MZ tun dagegen in ihrem Artikel einfach so, als ob die Koalitionsverhandlungen keine angestrebten Alternativen ergeben hätten. Dabei haben sie inzwischen – eine Woche später – weitere Teile des angestrebten Koalitionsvertrags selbst veröffentlicht (Paywall), wo diese genannt werden.

Koalitionsvertragsentwurf bietet Alternativen

Dort steht zum Beispiel, dass Busspuren ausgebaut und Buslinien schneller getaktet werden sollen. Außerdem ist von günstigeren Bustickets und einem mittelfristig einzuführenden Metrobus-System die Rede. Ebenso soll dem Radverkehr mehr Raum gegeben werden: die Radwegbenutzungspflicht soll im Grundsatz aufgehoben werden, weitere Fahrradstraßen und eine grüne Welle für Radler etabliert werden. Ein zweiter Promenadenring soll kommen. Ebenso soll das Projekt S-Bahn Münsterland beschleunigt werden. Außerhalb des Promenadenrings soll Parken dafür gestaffelt günstiger werden.

Also: Der Koalitionsvertrag plant hoffentlich gute Alternativen für das Auto ein. Wenn es klappt – der Plan, schon 2025 eine autofreie Innenstadt etabliert zu haben, ist ambitioniert – können sich die Kaufleute wohl auch in Münster über mehr Kundschaft freuen. Wenn es nicht klappt, wird das Wahlergebnis bei der nächsten Kommunalwahl wohl anders aussehen.

Ich würde mich auf jeden Fall freuen und, statt online einzukaufen, öfter Münsters Innenstadt frequentieren und dort einkaufen. Schließlich muss man dann nicht immer beim Shoppen auf die ganzen Autos in der engen Innenstadt achtgeben!

Da bleibt also nur eins: Die SPD muss trotz des Drucks, den die WN/MZ aufgebaut haben, die internen Zerwürfnisse klären (inzwischen ist der Fraktionsvorsitzende Mathias Kersting wegen der Verhandlungsergebnisse zurückgetreten) und zu dem von ihr selbst ausgehandelten Koalitionsvertrag stehen. Dann klappt es auch mit der autofreien Innenstadt!

Update: Es gibt Nachverhandlungen: Die SPD hat den vorliegenden Vertragsentwurf abgelehnt.

Transparenzhinweis

Der Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat, Christoph Kattentidt, ist auch im Vorstand des Arbeitskreis Ostviertel (AKO) e. V., des Trägervereins des Bennohauses und Betreiber dieser Seite. Alle auf ostviertel.ms veröffentlichten Inhalte werden im Sinne der bürgermedialen Beteiligung gemäß Landesmediengesetz NRW aus freien Stücken und ohne Einflussnahme bezüglich Themenwahl oder Inhalten von Mitarbeiter*innen und Mitwirkenden des AKO e. V. erstellt.

Jan Große Nobis

Jan ist Ureinwohner Münsters. In Münster geboren, ging er hier zur Schule, studierte Chemie, Geschichte und Soziologie und anderes und war in der juristischen Online-Redaktionswelt unterwegs – auch in Münster. In der Freizeit macht er antifaschistische Demo-Fotografie. Bei ostviertel.ms als Redakteur unterwegs.

Kommentar hinzufügen

Achtung, Kommentar!

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Kommentar, hier wird also eine Meinung dargestellt. Die hier dargestellte Meinung ist aus freien Stücken formuliert und entspricht nicht zwangsläufig der Haltung des Bennohauses oder der Haltung seiner Mitarbeiter*innen und anderer Mitwirkender.

Alle Bürger*innen haben auf unserer Seite die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern, solange sie sich an die Regeln eines wertschätzenden Diskurses fernab von Hass und Hetze halten.

Du möchtest auch mitmachen und deine Meinung mitteilen? Schreib uns eine E-Mail an mitmachen@ostviertel.ms, eine DM auf Instagram, Twitter oder Facebook oder komm einfach im Bennohaus vorbei.