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Auf Partys verzichten – geht das?

Es ist eine schwierige Phase für Clubbetreiber*innen, die auch lieber volle Tanzflächen sehen würden und den Gästen das Feiern ermöglichen wollen. Durch diese Zeit helfen nur Konzepte mit Schutzmaßnahmen. Um auch nach der Coronakrise feiern zu können, sollten die Clubs jetzt besonders unterstützt werden.

Der neu eröffnete Club PULS hat glücklicherweise einen großen Außenbereich mit Kaminen, wo das Tanzen am Tisch zu Live-Musik in der Coronakrise möglich ist beziehungsweise im September 2020 möglich war. Aktuell ist das PULS als Bar konzipiert.

Das PULS öffnete im September 2020 in der Coronakrise mit allen erforderlichen Schutzmaßnahmen. Hier noch mehr Bar als Club, aber es funktionierte bis zum November-Lockdown, wo alle Clubs bekanntlich schließen mussten. Wir haben mit den beiden Clubbetreibern Benjamin Kovacs und Daniel Rösch gesprochen.

Welche finanzielle Hilfen gibt es für Clubs und werden in Anspruch genommen?

Benjamin: Derzeit relevant ist die Novemberhilfe, die der Staat in Aussicht für geschlossene Gastronomiebetriebe gestellt hat. Die soll ab nächster Woche [Anmerkung der Redaktion: Stand 17.11.2020] beantragt werden können. Da wird normalerweise der November des Vorjahres als Bemessungsgrundlage genommen. Bei uns, da wir ein Start-Up sind, der Oktober letzten Jahres.

Auf welchen Kosten bleiben Clubbetreiber*innen sitzen? Gibt es ein Entgegenkommen von Vermieter*innen?

Benjamin: Vermieter sind schon recht kulant. Laufende Kosten bleiben aber natürlich hier und da bestehen.

Welche Jobs sind in der Corona-Krise weggebrochen und welche konnten gehalten werden?

Benjamin: Weggebrochen sind unsere Aushilfsjobs. Also die Leute, die bei uns hinter der Theke stehen, im Service und auf 450 €-Basis arbeiten, für die haben wir gerade keine Arbeit. Da wir geschlossen sind. Festangestellte bleiben im Betrieb. Aber natürlich auch die DJs, die bei uns auflegen, die Musiker, die bei uns spielen. Getränkelieferanten und die ganze Zuliefererstruktur liegt brach.

Was sind die Pläne und Forderungen des Club-Komitees Münster aktuell?

Benjamin: Also, es gibt natürlich eine Vereinigung von Clubs in Münster, da sind wir auch involviert. Aber wenn der Staat die Novemberhilfen – so wie versprochen – auch auszahlt, dann ist damit schon geholfen. Da muss man sich auch einfach dem aktuellen Infektionsgeschehen anpassen und unterordnen. Und es ist klar, dass da nicht wahnsinnige Forderungen auf dem Tisch sind, aber es gibt natürlich viele lokale und auch nationale Initiativen, ob das „#alarmstuferot“ ist oder diverse Vereinigungen von Gastronomen auch hier in Münster, die fordern.

Das sehen wir natürlich ähnlich, dass die Branche nicht vergessen wird. Da hängen eine Menge Existenzen dran. Gut, wir haben gerade aufgemacht, wenn wir die Unterstützung erhalten, ist uns damit geholfen. Es gibt aber auch Kollegen in der Branche, die haben seit sieben oder acht Monaten geschlossen. Das geht an die Substanz und das Risiko ist, dass es viele Betriebe nicht überleben werden. Auch wenn es jetzt noch weitere Monate so weitergeht und die Unterstützungen nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden.

Gerade auch für kleinere Betriebe, wie Solo-Selbständige, freischaffende Künstler, Musiker und DJs. Wenn man dann ein Jahr ohne Einnahmen ist, überlegt man sich auch, ob man das so weiter fortführen kann. Von daher, wenn die Unterstützungen nicht passen oder die Branche links liegen gelassen wird, dann besteht die Gefahr, dass die Kultur wegstirbt, weil es keine Kulturschaffenden mehr gibt.

Daniel: Ja, die Kulturschaffenden, die auch das Risiko eingehen wollen. Schwierig. Vor allem wenn man sieht, was Ende Oktober beschlossen wird, was dann erst am 25. November beantragt werden darf und dann hat man das Geld ja auch noch nicht. Für die, die jetzt sieben Monate zu haben und keine Einnahmen erzielen, die warten jetzt und haben Überschneidungen, wo sie alles zahlen müssen: trotzdem Strom, Abwasser und Festangestellte. Auch wenn jemand in Kurzarbeit ist, muss man als Betrieb in Vorleistung gehen und bekommt das Geld dann von der Arbeitsagentur wieder. Das ist nicht so einfach aufzufangen.

Was würde die Clubschließung eurer Meinung nach für die Stadt Münster und die Kultur bedeuten?

Daniel: Also Münster ist ja sowieso nicht so gesät mit Clubs, es gibt ja nur ein paar vereinzelte. Das wäre wirklich eine katastrophale Sache, wenn wir auch nach Corona nicht rausgehen können, um irgendetwas zu unternehmen, geschweige denn um abzuzappeln. Also wir haben schon den Glauben, dass auch nach Corona die Menschen noch Lust haben, und das haben wir auch in den zwei Monaten, wo wir während Corona betrieben haben, gesehen, dass die Leute weiterhin Lust haben rauszugehen und es wäre ganz schlimm, wenn das nicht erhalten bleibt – auch gerade am Hawerkamp, das gibt es ja schon Ewigkeiten. Das wäre eine Katastrophe! Man darf auch nicht so einfach sagen, dass da schon irgendjemand nachkommt, der ein bisschen Geld auf der hohen Kante hat und einfach den Laden übernimmt. Was ja manchmal den Anschein hat, dass so gedacht werden könnte. Das geht bis hin zu Brauereien, die anfangen, Fassbiere wegzuschütten, die produziert wurden für Sommerfeste, weil sie einfach nicht mehr haltbar sind.

Was ist für die Zukunft geplant? Sind Veranstaltungen im Winter möglich?

Benjamin:
Wie ihr merkt, sind wir hier im PULS Club halb drin, halb draußen, das ist auch eigentlich unser Glücksfall jetzt und auch unser Argument, warum wir während der Coronakrise aufgemacht haben. Weil wir den Dancefloor im Keller ja komplett zu lassen. Dort ist eine Durchlüftung nur bedingt gegeben. Da gibt es zwar eine Lüftung, aber für uns funktioniert der Keller nur, wenn es dort laut und eng und voll ist. Das ist ja gerade alles andere als zeitgemäß.

Aber hier mit diesem Außenbereich, den wir auch im Sommer renoviert haben, ist halt die Möglichkeit gegeben mit gewisser Wärme, die durch Tischöfen und Kamine hergestellt wird, wettergeschützt auch bei kalten Temperaturen mit ausreichender Belüftung zu sitzen. So kann hier nach allen Corona-Schutzmaßnahmen ein Barbetrieb geführt werden. Das haben wir auch die ersten zwei Monate gemacht und das ist gut angenommen worden.

Wir haben schon gemerkt, auch von befreundeten Gastronomen, die zum Beispiel in Kellergeschossen oder in weniger belüfteten Innenräumen sitzen, dass die Leute dort vorsichtig sind – auch zu recht vorsichtig. Wir haben, der Tatsache geschuldet, dass wir im September erst aufgemacht haben, ein paar Monate, wo wir das ganze Pandemiegeschehen beobachten, uns darauf einstellen und dementsprechend zum Beispiel Desinfektionsspender aufstellen konnten. Und eben durch den überdachten Außenbereich, indem sich eigentlich unser komplettes Clubgeschehen gerade abspielt – wobei ein Clubleben als solches im Moment gar nicht existiert.

Aber wir haben hier im Außenbereich eine Bar gebaut, wo auch DJs auflegen mit genug Abstand von der Bühne und genug Abstand zwischen den Tischen. Und wenn wir wieder dürfen, werden wir es genau in dem Maße weiter betreiben.

Habt ihr Anliegen/Wünsche/Forderungen an die Bürger*innen?

Benjamin: Ja, die Branche nicht zu vergessen und zu unterstützen. Weiterhin fleißig in Bars, Restaurants und Kneipen zu gehen. Das ist ja auch gerade die aktuelle, große Diskussion und die Forderung der Branche an die Politik und dementsprechend auch an die Bürger. Es wurde Monate lang viel dafür getan, dass man sicher ausgehen kann. Das Personal trägt immer Mundschutz, wir haben überall Desinfektionsspender, wir haben die Abstände und die Kontaktdaten-Nachverfolgung.

Es ist einfach so, dass Feiern im öffentlichen Raum sicherer gar nicht sein könnten. Es wurde sechs bzw. sieben Monate extrem viel dafür getan, auch extrem viel Geld investiert in Hygienemaßnahmen und Ausrüstung, was Hygiene angeht. In unseren Augen sind Veranstaltungen, wie wir sie hier durchführen, sicherer als im privaten Raum. Wenn man Gästen verbietet in eine Bar oder ein Restaurant zu gehen, werden sie deswegen nicht aufhören, sich zu treffen. Das wäre total weltfremd davon auszugehen, dass wenn man den Leuten Vorgaben macht, dass sie sich nicht mehr in Gastronomiebetrieben aufhalten dürfen oder nur bis 23 Uhr aufhalten dürfen, dann alle brav ins Bett gehen.

Nein, die Feiern werden im privaten Raum stattfinden und dort gibt es dann keine Desinfektionsmittel, Abstände und Masken. Das ist mit Sicherheit nicht die richtige Richtung der Politik, was das angeht. Der private Raum ist eben geschützt im Rahmen des Grundgesetzes und nicht kontrollierbar. Da herrscht bei uns auch ein gewisses Unverständnis. Warum schiebt man alles in den privaten, unsicheren Raum und bringt die Veranstaltungs- und Gastronomiebranche in Gefahr?

Auf Partys verzichten – geht das? Stichwort: illegale Raves

Daniel: Ja, da gab es ein paar. Davon hat man gehört. Im Kölner Raum, aber auch ein oder zwei illegale Veranstaltungen in Münster, die so nicht hätten sein müssen. Es gibt halt ganz oft Leute, die sagen, wir leben nur einmal, die einfach raus wollen und feiern wollen. Verändern wird man das nicht können, auch nicht wenn eine Sperrstunde eingesetzt wird. Weil um 23 Uhr fangen die Leute ja erst an raus zu gehen. Das haben wir ja hier gemerkt, wenn um 21 Uhr die Leute kommen und du sagst dann um 22.30 Uhr letzte Runde, dann wirst du doof angeguckt. Es haben auch einige vorab nicht mitbekommen, dass man um 23 Uhr wirklich den Laden verlassen muss. Also, illegale Raves finden wir nicht toll.

Benjamin: Wir wissen, dass illegale Raves stattfinden. Wir sind beide nicht in der Szene unterwegs oder besuchen diese selber. Aber man kriegt es ja mit, dass die stattfinden. Und wie Daniel eben gesagt hat, wenn die Leute um 22.30 Uhr hier das letzte Getränk bekommen, gehen sie nicht nach Hause. Die feiern weiter im privaten Raum oder versammeln sich.

Um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, auf Partys kann man nicht verzichten. Das ist ein veritabler Kulturbereich, auch existenziell für ganz viele Menschen als Ausgleich zum Berufsleben und als Vernetzungsort, wo man Menschen trifft. Auch wenn man das unter Corona-Schutzmaßnahmen macht, ist es natürlich nicht das Gleiche, aber trotzdem unverzichtbar. Wir haben das auch bei vielen unserer Gäste bemerkt, die sich extrem gefreut haben, dass wir zu Coronazeiten aufgemacht haben. Dass wir eine Möglichkeit geboten haben, auszugehen, DJs und Live-Musik zu genießen.

Viele wollen einfach zappeln. Wir hoffen, dass sich es in absehbarer Zukunft normalisiert hat. Und wir haben von vielen Gästen gehört, und uns geht es ja auch selber so, dass man raus gehen möchte, Zeit genießen und Menschen kennenlernen möchte.

Vielen Dank für das Gespräch!



Gefeiert wird immer. Darüber machen sich die Clubbetreiber keine Sorgen. Doch es sollte in der Coronakrise aufeinander acht gegeben werden. Illegale Raves sind für die Veranstalter keine Lösung, genauso wie das Feiern im privaten Bereich.

Durch den Lockdown im November bleibt nur noch das Streamen in die Wohnzimmer. Ende November findet ein Stream aus dem PULS Club statt. Mit einem Line-up, welches genauso wieder auftreten soll und zwar, wenn es eben wieder möglich ist. Ein Termin steht im Augenblick noch nicht fest.

Im April forderte das Club-Komitee in Münster eine Senkung der Mehrwertsteuer für Getränke und eine Aufhebung der Vergnügungssteuer. Dies wurde umgesetzt, hilft jedoch jetzt, wo die Clubs geschlossen sind, nicht.

Clubs sind Treffpunkte und Orte, wo etwas entsteht, was im Alltag nicht stattfindet. Und damit ist nicht nur das gemeinsame Tanzen gemeint. Szenen brechen weg beziehungsweise entstehen gar nicht mehr.

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