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Laundry Talk – Unterwegs im Viertel

Diese Geschichte beginnt mit einem eher schlechten Moment im Leben und möchte aufzeigen, wie viel Glück manchmal auch im erst negativ Erscheinenden stecken kann.

Ich ahne nichts Böses und möchte nur morgens vor der Arbeit meine Wäsche in die Waschmaschine legen. Doch die Trommel dreht sich nicht mehr.

Nach vier weiteren Tagen ohne Maschine geht mir die frische Wäsche aus. Also mache ich mich an einem Freitagabend eher widerwillig mit meiner Mitbewohnerin auf den Weg zum Waschsalon.

Der anfängliche Widerwillen verfliegt recht schnell. Eine eher nervige Aufgabe fühlt sich gerade gar nicht so nervig an, obwohl wir deutlich mehr Zeit aufwenden müssen als sonst, um unsere Wäsche zu waschen.

„45 Minuten“ steht auf der Anzeige. 45 Minuten ohne Ablenkung, Arbeit oder Sport.

Irgendwann macht es sogar richtig Spaß. Es fühlt sich an wie ein Abenteuer und ein Stück Entschleunigung in einer schnellen Welt.

Wir beobachten den Raum, spinnen rum, träumen. Uns kommen ganz viele verschiedene Assoziationen und Geschichten in den Kopf. Und dann stellen wir uns vor, was wohl die Geschichten der Menschen im Waschsalon sind.

Welcher Ort würde sich also besser anbieten als der Waschsalon, um auf unkonventionelle Weise mit Leuten ein Gespräch zu führen und ihre persönlichen Geschichten aus dem Viertel zu erfahren?

Genau wie bei meinem Kuchengespräch war ich am Anfang eher skeptisch, ob jemand mit uns spontan ein Interview führen würde.

Wir hatten Glück –  Julia, 21 Jahre alt, war die erste Person, die ich ansprach und sie war direkt bereit für ein Gespräch. Julia studiert Französisch und katholische Religion auf Haupt-, Real- und Gesamtschullehramt.


 

Kommst du aus dem Ostviertel?

Ne, ich wohne hier wegen meines Studiums, aber ich komme eigentlich aus Niedersachsen in der Nähe von Osnabrück.

Seit wann wohnst du hier im Viertel?

Seit Oktober, seit dem Semesterstart.

Bist du denn gut angekommen im Viertel? Gefällt es dir hier?

Es ist was anderes, weil ich vorher in Düsseldorf gewohnt und da studiert habe. Das ist auf jeden Fall was ganz anderes, weil ich da mittendrin gewohnt habe. Hier ist es deutlich familiärer.

Hast du denn in der kurzen Zeit, in der du hier bist, schon Kontakt zu deinen Nachbar*innen bekommen?

Ich wohne in einer Wohnung, in der unter mir die Enkelin meiner Vermieterin wohnt und ganz unten wohnt meine Vermieterin selbst.

Kommst du mit deinen Nachbar*innen hier im Viertel gut klar?

Ja, doch, mit denen komme ich sehr gut klar. Ich kenne noch nicht alle, aber ich hab schon einige kennengelernt.

Und ich nehme an, ihr habt keine Waschmaschine?

Ne, wir haben keine Waschmaschine. (lacht)

Das heißt, du kommst dann auch öfter hier in den Waschsalon?

Ja, ich sammle halt die Wäsche, weil es dann doch nicht so günstig ist für eine Studentin, aber immer noch günstiger als eine Waschmaschine zu kaufen.

Wenn du fühlst, dass du hier ganz gut angekommen bist – hast du denn schon mal solche Stadtteilaktionen miterlebt hier im Viertel, wo du sagen würdest, das verbinde ich mit dem Ostviertel?

Ne, nicht so wirklich. Ich wohne halt direkt an einer Kneipe, da kriegt man schon einiges mit. Aber da gehen eher ältere Leute hin, die auch gerne unter der Woche feiern.

Fühlst du dich dann denn auch in deinem Alter als Studentin im Viertel willkommen?

Also, es ist schon eher ein Familienviertel als ein Studentenviertel, aber ich fühle mich hier wohler, als wenn ich an der Jüdefelderstraße wohnen würde. Ich brauche hier keine Angst haben, wenn ich nachts nach Hause laufe.

Ist das auch das Gefühl, was du mit dem Viertel verbindest? Vor allem im Kontrast zu Düsseldorf?

Also in Düsseldorf hat man sich schon dreimal umgeguckt und als Frau hatte man dort schon immer den Schlüssel in der Faust. Es ist nie was passiert, aber eine Straße entfernt von meiner Wohnung war das Rotlichtmilieu und da hat man schon einiges mitbekommen.

So etwas kriege ich hier gar nicht mit.

Hast du einen besonderen Ort im Viertel, den du jemandem empfehlen würdest?

Den Hafen finde ich auf jeden Fall sehr schön. Aber vor allem auf dem Spielplatz am Ende der Wolbecker Straße kann man gut entspannen und es ist nicht so weit weg.

Wie oft bist du denn hier im Waschsalon?

Ungefähr einmal im Monat.

Stört es dich, hier eine Stunde auf deine Wäsche zu warten und wie gestaltest du deine Zeit hier dann?

Also wenn gutes Wetter ist, kann man auch in den Park oder nach Hause gehen, aber ich finde es gar nicht so schlecht, rauszukommen und sehe das als Pause und kann dann hier lesen oder mit dem Handy spielen. Gerade jetzt in diesen Zeiten, da man sich auch mal woanders hinsetzen kann und lesen kann. Es ist zwar kein Cafe, aber gar nicht so schlecht.

Wenn du hierherkommst, hast du dann eine Routine, was du hier machst?

Ja, ich nehme Sachen vom Studium mit. Zum Beispiele lese ich hier Texte und Bücher. Man kann hier gut lernen.

Und Leute beobachten. (lacht)

Warum kannst du denn hier gerade gut lernen?

Weil es ruhig ist. Normalerweise sind hier nicht mehr als vier Menschen. Heute ist schon echt Hochbetrieb hier.

Würdest du sagen, das dies vielleicht ein Ort ist, der deine Kreativität fördert, gerade auch in deinem Studium? Oder ist das hier eher eine lästige Zwangsaufgabe?

Ich weiß nicht, ob es unbedingt die Kreativtät fördert, aber man hat schon andere Eindrücke als Zuhause und ich kann mir eine andere Lernroutine bilden.

Ich setze mich wirklich hin und lese meine Texte oder lerne und das mache ich Zuhause vielleicht nicht unbedingt, weil ich da dann doch eher abgelenkt bin.

Vor allem weil es eine feste Stunde Zeit ist und ich in dieser Stunde dann auch lernen will.

Ist es denn gerade unter Corona-Bedingungen für dich eine Auszeit, in der du rauskommst?

Auf jeden Fall, sonst bin ich nur zum Einkaufen rausgegangen. Es ist schon eine gezwungene Pause, weil man ja leider irgendwann waschen muss, aber das finde ich gar nicht schlecht.

Vielen Dank!

Oskar Scheck

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