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Wer will’s werden?

Die K-Frage bei den Grünen und den Unionsparteien bekommt immer mehr öffentliche Präsenz. Während Robert Habeck verlauten ließ, auf eine Kandidatur zu verzichten, falls Annalena Baerbock „als Frau antreten wolle“, fokussiert sich die Aufmerksamkeit auf die Unionsparteien.

Wer wird also von der CDU/CSU aufgestellt, um gegen Annalena Baerbock zu gewinnen?

Keine*r. So zumindest ist meine Einschätzung. Damit meine ich nicht, dass die Unionsparteien auf eine*n eigene*n Kandidat*in verzichten werden, aber ich glaube, sie wollen gar nicht gewinnen. Vielleicht ist das heimliche Ziel die Opposition.

Keiner der beiden aktuellen Kandidaten ist für die Nachfolge von Angela Merkel geeignet. Armin Laschet fehlt es an jeglicher Form von Charisma und Markus Söder in gleichem Umfang an Bescheidenheit. Beide beschädigen sich in der Öffentlichkeit gegenseitig und agieren im Alleingang gegen vorher vereinbarte Abstimmungen innerhalb der MPKs. Es gibt sogar schon Mutmaßungen, ob vielleicht noch ein Überraschungskandidat aus dem Hut gezogen wird. (Ralph Brinkhaus?)

Laschet wird die notwendige Durchsetzungskraft und Führungsstärke nicht zugetraut und Markus Söder hat, unter anderem, den Nachteil aus einer Partei zu kommen, die es nur in einem Bundesland gibt und die in der Bundesregierung durchweg negativ auffällt durch Politiker wie Andreas Scheuer und Horst Seehofer. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Menschen in 15 Bundesländern sich für einen Kandidaten entscheidet, dessen Partei sie nicht mal selber wählen können und die sich mit einer konstanten Arroganz über die restlichen Bundesländer erhebt.

Auch wenn die Bayern selber ihr „Mia-san-Mia-Maskottchen“ Kronprinz Markus gern in der Gesamtführung außerhalb des Freistaats Bayern sehen möchten, wird es für eine Bundesmehrheit für den Kruzifix nagelnden Baumgrabscher nicht reichen.

Hinzu kommt noch der aktuelle Vertrauensverlust durch die Maskenaffären. Die Unionsparteien sind aktuell durch die Korruptionsvorwürfe stärker beschädigt, als sie es unter Helmut Kohl zum Ende seiner Regierungszeit waren. Erinnern Sie sich noch? Nach 16 Jahren Kohl war Schluss und danach verloren „die Schwestern“ mit dem CSU-Kandidaten Edmund Stoiber. Nach 16 Jahren Merkel wäre es nun taktisch klug für die CDU, wenn sie mit dem CSU-Mann Markus Söder den Wahlkampf verlieren. Warum?

Schaut man sich die Problemstellen an, die in den nächsten Jahren zu lösen sind, dann wären Söder und Laschet schön doof, wenn sie sich den Schlamassel ans Bein binden. Durch die Pandemie sind viele Themen unübersehbar zu Tage getreten, die von den vier Merkel-Regierungen größtenteils ausgesessen wurden. Digitalisierung, Pflegenotstand, Verkehrswende, Energiewende, das Erreichen der Klimaziele und das Aufarbeiten der schulpolitischen Probleme sind einige der vielen Themenkomplexe, die direkt vor der eigenen Haustür warten.

Auf internationaler Ebene stehen Herausforderungen an wie der eingeforderte 2%-Nato-Beitrag, der nicht mit Donald Trump verschwunden ist, die wirtschaftliche Neuorientierung der EU zu UK nach dem Brexit, die Positionierung gegenüber Ländern wie Russland, China, der Türkei und dem Iran und die notwendige Stabilisierung innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten, die immer eine der großen Stärken von Angela Merkel war.

Innerhalb der Bevölkerung gibt es dann noch die stärker werdenden Spannungen, die durch eine Regierungszeit der Grünen zu noch mehr Konfrontationen bei einem großen Teil der Bevölkerung führen könnten, die „sich nichts verbieten lassen wollen“ und der Notwendigkeit von Veränderungen lieber mit nostalgisch verklärter Ignoranz begegnen.

Die Kluft zwischen den Bevölkerungsgruppen mit konservativen und progressiven Grundeinstellungen zu kitten ist also eine Aufgabe, die nicht nur Joe Biden in den USA schaffen muss, auch wenn die Spaltung in Deutschland nicht so offensichtlich und extrem ist. Aber sie ist da und wird nicht einfach verschwinden, sondern sich weiter zuspitzen, wenn nichts unternommen wird. Aber was?

Zu guter Letzt kommt noch das finanzielle und wirtschaftliche Debakel, das auf Deutschland wartet, wenn die Corona-Pandemie erstmal einigermaßen unter Kontrolle gebracht sein wird. Die riesige Neuverschuldung trifft dann auf eine absehbare Welle von Insolvenzen, schwächelnder Konjunktur, steigenden Arbeitslosenzahlen und eine eventuelle Rezession. Das Ganze wird begleitet von einer immer größer werdenden Diskussion über die ungerechte Vermögensverteilung in Deutschland, welche die erwähnten Spannungen verstärkt.

Ganz schön viel Brett zu bohren, wenn man die Themen mal alle zusammen sieht. Da wäre es als Besserwisser ohne Verantwortung, auf der Oppositionsbank sitzend, mit einer Tüte Popcorn in der Hand bestimmt angenehmer. Es wäre vielleicht nicht ganz fein von der CDU/CSU, aber mit Blick auf die kommenden Jahre vielleicht die bessere Strategie. Wie heißt es so schön? Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, damit man später zwei nach vorne machen kann.

Es wäre also keine Unmöglichkeit, wenn Laschet und Söder als Parteichefs Ministerpräsidenten in ihren Bundesländern bleiben und einer von den Grünen angeführten Regierungskoalition beim Scheitern zuschauen. Interessant wäre dann natürlich noch, ob sich die Union die Opposition mit den beiden Flügelparteien AFD und den Linken teilt oder ob es eine konservative Großopposition aus AFD, FDP und den Unionsschwestern gäbe.

Falls ich im September recht behalte, dann sagen Sie bitte nicht, Sie seien überrascht. Vielleicht versteckt sich hinter dieser Option sogar die größte Chance für dieses Land.

Christian Hicking

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