Ist es nicht lustig zu beobachten, wie plötzlich der Anstand einzelner Unions-Abgeordneter bemängelt wird? Eigentlich ist doch nichts Erstaunliches passiert, oder?
Georg Nüßlein von der CSU und Nikolas Löbel von der CDU haben sich durch ihre Position und ihren Einfluss einen finanziellen Vorteil verschafft und dies ist aufgeflogen. Nun wird hierzu aufgeregt Bericht erstattet. Beide Politiker legen ihr Mandat nieder bzw. treten aus der Partei aus. Soweit die aktuelle Situation.
In einem Interview mit den Tagesthemen spricht Parteichef Armin Laschet davon, dass er sich so etwas nicht hätte vorstellen können. Wie realitätsfremd ist der Herr? Oder wird hier vielleicht eher eine rote Linie gezogen, um alles, was darunter liegt, als „noch mit dem Anstand vereinbar“ zu klassifizieren? Was ist mit dem millionenschweren Auftrag für Schutzmasken an die Firma van Laack, die ohne offizielles Ausschreibeverfahren von Armin Laschet vergeben wurde? Eine Firma, für die sein Sohn als Model arbeitet. Liegt dieses Verhalten noch innerhalb der moralischen Wertvorstellungen von Herrn Laschet?
Das Verhalten von Löbel und Nüßlein hat doch in gewisser Weise Tradition in den Unions-Parteien. Die älteren Leser*innen werden sich vielleicht noch an die Parteispenden-Affäre von 1999 erinnern; Stichwort: Geldkoffer. In den 80er-Jahren war es die Flick-Affäre, die von Seiten des Flick-Managers Eberhard von Brauchitsch als „Pflege der politischen Landschaft“ bezeichnet wurde. Nicht zu vergessen die 600.000 Mark jährlich, die Helmut Kohl vom Unternehmer Leo Kirch bekam und auf die Jan Böhmermann in seiner Sendung ZDF Magazin Royale vom 26. Februar hinwies.
„Kleinere Vergehen“ wie bei Philipp Amthor scheinen doch bei den Unionsparteien zur Ausbildung zu gehören, damit man einen großen Shitstorm passend aussitzen lernt. Nachdem, gegenüber den vielfältigen Rücktrittsforderungen in Richtung Andreas Scheuer, nichts passiert ist, rollen jetzt Köpfe von weniger schillernden Kandidaten. Bauernopfer für das Prestige.
Als die Summen in Höhe von 250.000 Euro (Löbel) und 600.000 Euro (Nüßlein) bekannt wurden und diese ihren Rücktritt bekannt gaben, kam mir die Frage, ob die beiden Ehrenmänner das Geld denn einfach behalten? Rechnet man die Beträge mal in durchschnittliche Bruttojahresgehälter (48.000 Euro) um, kommt man auf 5 bzw. 12,5 Jahre. Wie dies sich nun nach Abzug von Steuern im Vergleich darstellt, ist natürlich unklar. Gucken Sie doch mal auf ihre Lohnsteuerjahreserklärung und rechnen Sie sich das mal aus. Ich hätte mit solch einer netten Abfindung kein Problem.
Wenn Armin Laschet in dem Interview sagt, dass Parteimitglieder, die sich ebenfalls durch solche Geschäfte bereichert haben, sich sehr schnell bei ihm melden sollten, „bevor es auffällt“, kann man nur hoffen, dass die Investigativ-Journalist*innen schneller sind.
Bereits im Jahr 2012 gab es eine Studie, die zeigte, dass Lobbyismus unsere Demokratie beschädigt und bis zum Amthor-Vorfall im Sommer 2020 hat sich die CDU mit Händen und Füßen gegen ein Lobbyregister gewehrt. Das die GroKo sich auf Drängen der SPD nun doch auf die Einführung eines Registers einigen konnte, liegt aber bestimmt nicht an der sittlichen Einstellung der Unions-Politiker*innen. Die Haltung der Union wird seit langem von Organisationen wie Abgeordnetenwatch und Lobbycontrol kritisiert und das nun zähneknirschend veröffentlichte Resultat entspricht in wichtigen Punkten nicht mal den internationalen Minimalanforderungen der OECD und des Europarats.
Dass die CDU 11 Jahre das Ratifizieren der UN-Konvention gegen Korruption blockierte und Deutschland in der Umsetzung dieser internationalen Vereinbarung langsamer agierte als über 160 andere Staaten ist ein anderes Beispiel für die anständige Haltung der Christdemokrat*innen.
Und so werden die feinen Herren und Damen der christlichen Union auch weiterhin ein „innerpolitisches Schwein schlachten“, wenn es durch die Medien aufgedeckt wird, um anschließend als „gegen jeden Anstand“ verurteilt zu werden.
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